Links: Statuenkopf eines vorderasiatischen Würdenträgers, ausgestellt im Staatlichen Museum ägyptischer Kunst, München. Er zeigt große Ähnlichkeit mit einer Sitzstatue aus Tell el-Daba, bei der es sich möglicherweise um eine Darstellung Josefs handeln könnte.
Rechts: Sitzstatue des Chai-Hapi (Replikat). Original im Kunsthistorischen Museum, Wien. Ramessidenzeit. Er bittet die Götter um ein Alter von 110 Jahren, so alt wie Jahrhunderte vor ihm Josef wurde.
Und die Hungersnot war auf der ganzen Erde; und Joseph öffnete alles, worin Getreide war, und verkaufte es den Ägyptern; und die Hungersnot war stark im Land Ägypten. Und alle Welt kam nach Ägypten zu Joseph, um Getreide zu kaufen; denn die Hungersnot war stark auf der ganzen Erde. (1. Mose 41,56–57)
Eilt und zieht hinauf zu meinem Vater [Jakob], und sagt zu ihm: So spricht dein Sohn Joseph: Gott hat mich zum Herrn von ganz Ägypten gemacht; komm zu mir herab, zögere nicht! Und du sollst im Land Gosen wohnen und nahe bei mir sein, du und deine Söhne und die Söhne deiner Söhne und dein Kleinvieh und deine Rinder und alles, was du hast. (1. Mose 45,9–10)
Elberfelder Übersetzung, Edition CSV Hückeswagen
Die Bibel beschreibt, wie Jakobs Sippe aufgrund einer Hungersnot in das fruchtbare Nildelta zieht. Gibt es in Ägypten Indizien für solch eine Hungersnot? Anhand einer genauen Datierung lässt sich die Frage beantworten: Ab der Regierungszeit Amenemhats III. gibt es in Ägypten klare Indizien für aus Kanaan stammende Vorderasiaten, die demnach mit den Israeliten gleichzusetzen sind.
Die Regierungszeit Amenemhats III. wird auf die Zeit von 1800 v. Chr. angesetzt. Nach der revidierten Chronologie müsste man aber auf 1650 v. Chr. datieren, was besser zum biblischen Gesamtbild passt.
Aufgrund der Beschreibungen in 1. Mose 41 darf gefolgert werden, dass Josef in Ägypten das Amt eines Obervermögensverwalters direkt unter dem Pharao innehatte. Sein Einfluss und die Begrifflichkeiten deuten darauf hin. Manche in Tell el-Daba entdeckten Objekte, wie verschiedene Siegel und vielleicht eine Statue, könnten ihm gehört haben.
Weitere Indizien unterstützen die zeitliche Einordnung: Stark schwankende Nilpegelstände, die ernsten Gesichtsausdrücke auf den Statuen der damals regierenden Monarchen, wie auch das Klagelied eines ägyptischen Schreibers: Dies alles deutet darauf hin, dass damals in Ägypten eine schwere Hungersnot herrschte. Zudem gab es eine Landreform, wodurch die Herrschaft der Gaufürsten wieder unter Pharao Senwosret III. vereint wurde. Von einer ähnlichen Reform ist auch in 1. Mose 47 die Rede.
Der Majordomus Chai-Hapi, der erst Jahrhunderte nach Josef amtierte, bittet die Götter auf seiner Statue, ihm ein sattes Alter von 110 Jahren zu gewähren. Auch Josef wurde 110 Jahre alt (1. Mose 50,26). Vielleicht diente ihm dieser als Vorbild.
Wieso ist es so schwer, klare »Beweise« für Josef in Ägypten zu finden?
Unser Wissen über die damalige Zeit ist sehr begrenzt. Noch fehlen viele Puzzle-Teile in unserer Geschichtsrekonstruktion, da dafür die nötige Quellen (die es einmal gegeben hat) entweder noch nicht gefunden wurden oder für immer verloren gegangen sind.
Der Name »Zafnat-Paneach«, den Josef erhielt, ist zweifellos ägyptischer Herkunft. Die genaue Zuordnung zu einer ägyptischen Bedeutung ist aber umstritten.
Möglich ist die Bedeutung »der Ipu-anch genannt wird«, dies würde in die Zeit passen, die nach der revidierten Chronologie Josef zugeordnet wird. Konkret bedeutet »Ipu-anch« wahrscheinlich »Dieser lebt!« Tatsächlich ist ein Minister der Agrarwirtschaft dieses Namens aus der Zeit am Ende der 12. Dynastie belegt.
Auch weitere Namen aus der Bibel, wie Asnat (Josefs Ehefrau) und eine frühe Form des Namens Potifar (Vorsteher der Palastpolizei zur Zeit Josefs) sind aus dieser Zeit bekannt.
Die Stadt Jericho ist von entscheidender Bedeutung für die Zusammenführung von biblischer und archäologischer Chronologie: Die aufgefundenen Zerstörungsschichten waren für die biblischen Zeitangaben aber 150 Jahre zu alt. Von einer Mehrzahl der Wissenschaftler wird die Landnahme bisher auf die Zeit um 1220 v. Chr. datiert, da man davon ausgeht, dass die israelitischen Sklaven noch in Ägypten waren, als Ramses II. herrschte. Bei der Eroberung Kanaans seien sie dann für die Zerstörung mehrerer Orte um 1200 v. Chr. verantwortlich gewesen. Diese Sicht konnte archäologisch nicht bestätigt werden.
Zudem war Jericho zu dieser Zeit überhaupt nicht bewohnt und bald sprachen viele Archäologen von einer bloßen Erfindung der biblischen Geschichte über den Einsturz der Mauern von Jericho.
Die Synchronisierung der ägyptischen Zeitangaben mit einer absoluten, an astronomischen Ereignissen fixierten Zeitskala offenbarte im Laufe der Zeit etliche Ungereimtheiten bei der Zuordnung von archäologischen Zeithorizonten.
Vor allem scheinen auch während der sogenannten Dritten Zwischenzeit des Alten Ägypten mehrere Dynastien nicht nacheinander, sondern zeitlich parallel geherrscht zu haben. Es zeigte sich immer mehr die Notwendigkeit einer »revidierten Chronologie«, die die ägyptische Geschichte um bis zu 200 Jahre verkürzt.
Für Jericho bringt die revidierte Chronologie eine sensationelle Übereinstimmung: die Zerstörung der Stadt würde sich auf etwa 1400 v. Chr. verschieben, also genau in die Zeit, in der Gottes Wirken (evtl. durch ein Erdbeben) nach biblischer Datierung die Mauern zum Einsturz gebracht haben! Damit stimmt der archäologische Befund mit der biblischen Zeitangabe überein – und auch die Fundsituation in den anderen eroberten Städten.
Für die Aufstellung einer biblischen Chronologie für die Zeit der Erzväter ist die Analyse der Aufenthaltsdauer in Ägypten besonders wichtig. Im Bibeltext ist diese Zeit mit 430 Jahren angegeben (2. Mose 12,40). Im Gegensatz zum masoretischen Text beziehen allerdings die Septuaginta, der samaritanische Pentateuch und auch Flavius Josephus in diesen Zeitraum auch den Aufenthalt der Patriarchen in Kanaan mit ein. Auch Paulus scheint in Galater 3,17 diese Ansicht zu bestätigen.
Demnach dauerte der Aufenthalt in Ägypten nur etwa 200 Jahre, was auch gut zu der Rückkehr in der vierten Generation nach 1. Mose 15,16 passen würden. Durch diese Berechnung wird ein Wirken Josefs in Ägypten in der Zeit zwischen ca. 1670 und 1590 v. Chr. wahrscheinlich.